Kapitel 3-5
Jetzt erschien der Frau die verbotene Frucht in einem ganz anderen Licht. Sie sah, daß „der Baum gut war zur Speise und daß er etwas war, wonach die Augen Verlangen hatten“. Gründlich betrogen, brach Eva Gottes Gesetz (1. Mose 3:1-6; 1. Timotheus 2:14).
War Evas Sünde unvermeidbar? Keinesfalls! Versetzen wir uns einmal in ihre Lage. Durch die Behauptung der Schlange wurde das, was Gott und Adam gesagt hatten, komplett verdreht. Wie würden wir empfinden, wenn ein Fremder jemanden, den wir lieben und dem wir vertrauen, der Unehrlichkeit bezichtigen würde? Eva hätte anders reagieren sollen, und zwar mit Abscheu und Entrüstung, und hätte gar nicht erst zuhören dürfen. Wer war die Schlange überhaupt, daß sie Gottes Gerechtigkeit und die Aussage von Evas Mann in Frage ziehen wollte? Aus Achtung vor dem Prinzip der Leitung durch ein Haupt hätte die Frau um Rat fragen sollen, ehe sie eine Entscheidung traf. Das sollten auch wir tun, wenn wir mit Informationen konfrontiert werden, die den göttlichen Anweisungen widersprechen. Eva glaubte jedoch den Worten des Versuchers und wollte selbst bestimmen, was gut und was schlecht ist. Je mehr sie mit diesem Gedanken spielte, um so reizvoller erschien er ihr. Wie verhängnisvoll, daß sie einen verkehrten Wunsch nährte, statt sich ihn aus dem Kopf zu schlagen oder die Sache mit ihrem Haupt zu bereden! (1. Korinther 11:3; Jakobus 1:14, 15).
Adam hört auf Eva
Eva brachte Adam kurz darauf soweit, daß er sich ihr in der Sünde anschloß. Wie läßt sich seine bereitwillige Zustimmung erklären? (1. Mose 3:6, 17). Adam befand sich in einem Loyalitätskonflikt. Würde er seinem Schöpfer gehorchen, dem er alles verdankte, einschließlich seine geliebte Frau Eva? Würde er Gottes Leitung in dieser Sache suchen? Oder würde er mit seiner Frau gemeinsame Sache machen? Adam wußte nur zu gut, daß das, was sich Eva vom Essen der verbotenen Frucht erhoffte, illusorisch war. Der Apostel Paulus schrieb unter Inspiration: „Adam [wurde] nicht betrogen, aber die Frau wurde gründlich betrogen und geriet in Übertretung“ (1. Timotheus 2:14). Adam widersetzte sich Jehova somit vorsätzlich. Die Angst, von seiner Frau getrennt zu werden, war offenbar größer als sein Glaube an Gottes Fähigkeit, die Sache wieder ins Lot zu bringen.Adams Handlungsweise war selbstmörderisch. Sie lief außerdem auf einen Mord an der gesamten Nachkommenschaft hinaus, die Jehova ihn aus Barmherzigkeit zeugen ließ, denn alle standen von Geburt an unter dem Todesurteil der Sünde (Römer 5:12). Wie teuer sie doch der selbstsüchtige Ungehorsam zu stehen kam!
Auch das Verhältnis zwischen Adam und Eva wurde in Mitleidenschaft gezogen. Jehova sagte warnend zu Eva: „Mit Geburtsschmerzen wirst du Kinder hervorbringen, und dein tiefes Verlangen wird nach deinem Mann sein, und er wird über dich herrschen“ (1. Mose 3:16). Statt das liebevolle Haupt seiner Frau zu sein, wie Gott es gewünscht hatte, wurde Adam jetzt ihr Herr und herrschte über sie.
Nach dem Sündenfall versuchte Adam, die Schuld auf seine Frau zu schieben. Nach seiner Meinung wurden sie wegen Evas Tat aus dem vollkommenen Garten auf eine unfertige Erde vertrieben, dazu verflucht, sich unter keineswegs idealen Verhältnissen abzuplagen, bis sie schließlich zum Staub zurückkehren würden (1. Mose 3:17-19). Wir können uns gut vorstellen, daß dies zu Reibereien zwischen ihnen führte. Adam reagierte womöglich übertrieben und mag erklärt haben, er werde nie mehr auf Eva hören. Möglicherweise sah er es als gerechtfertigt an, ihr praktisch zu verstehen zu geben: „Von jetzt an habe ich das Sagen!“ Und Eva erkannte vielleicht, daß Adam in seiner Rolle als Familienhaupt versagt hatte, woraufhin ihr Vertrauen zu ihm schwand. Dadurch, daß die Menschen kein Vertrauen zu Gott erkennen ließen, büßten sie seine Freundschaft ein und zerstörten auch ihr Verhältnis zueinander.
Die Erde zu bebauen und sich um die Tiere zu kümmern gehörte zu den ursprünglichen Aufgaben, die Gott Adam übertragen hatte (1. Mose 1:28; 2:15; 3:23). Sein Sohn Kain nahm den Ackerbau auf, und Abel wurde ein Schafhirt (1. Mose 4:2). Da sich die Menschen bis nach der Sintflut ausschließlich von Obst und Gemüse ernährten, entsteht die Frage, welchem Zweck die Schafzucht diente (1. Mose 1:29; 9:3, 4).
Schafe benötigen Hege durch den Menschen, um zu gedeihen. Wie die Beschäftigung Abels bezeugt, züchtete der Mensch von Beginn seiner Geschichte an diese Haustiere. Ob die ersten Menschen die Milch von Tieren als Nahrungsmittel verwendeten, wird in der Bibel nicht gesagt; aber auch wer sich nur von Pflanzen ernährt, hat Verwendung für Schafwolle. Und nach dem Tod der Schafe lässt sich ihr Fell vielseitig verwerten. Beispielsweise gab Jehova Adam und Eva „lange Gewänder aus Fell“ als Bekleidung (1. Mose 3:21).
Auf jeden Fall erscheint die Annahme vernünftig, dass Kain und Abel anfangs zusammenarbeiteten. Sie stellten das her, was ihre Angehörigen benötigten, um sich zu kleiden und gut zu ernähren.
Etwa vierhundert Jahre vor Henoch wurde Adams Enkel Enosch geboren. „Zu jener Zeit fing man an, den Namen Jehovas anzurufen“, heißt es in 1. Mose 4:26. Einige Hebraisten vertreten die Auffassung, der Text sollte lauten „begannen zu entweihen“ oder „damals begann die Entweihung“. Über diese Epoche der Geschichte sagt das Targum Jeruschalmi I: „Das ist das Geschlecht, in dessen Tagen man mit Heidentum . . . und der Anfertigung von Götzen . . . anfing . . ., und sie benannten ihre Götzen mit dem Namen des wahren Gottes“ (zitiert nach B. Jacob, Genesis, 1934, S. 151).
Zu Enoschs Zeiten war es an der Tagesordnung, den Namen Jehovas zu mißbrauchen. Möglicherweise wandte man den Namen Jehova auf sich selbst an oder auf andere Menschen, durch die man sich angeblich Jehova Gott in der Anbetung nahte; oder aber man wandte den göttlichen Namen auf Götzen an. Auf jeden Fall war es Satan, dem Teufel, gelungen, das Menschengeschlecht tief in den Götzendienst zu verstricken. Zu der Zeit, als Henoch geboren wurde, war die wahre Anbetung eine Seltenheit geworden. Lebte jemand nach der Wahrheit und verkündigte sie, wie Henoch, war er unbeliebt und wurde daher verfolgt.
Wie wurde Henoch damit fertig? Das ist für uns heute von Interesse. Henoch war damals vielleicht der einzige Mensch auf der Erde, der Jehova anbetete, dennoch war er nicht auf sich allein gestellt. Er wandelte mit Gott (1. Mose 5:22).
Henochs Leben drehte sich darum, Gott zu gefallen. Mit Gott zu wandeln bedeutete nicht lediglich, ein reines, sittlich einwandfreies Leben zu führen. Das wusste Henoch. Jehova erwartete von ihm auch, dass er predigte (Judas 14, 15). Die Menschen mussten darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihre gottlosen Taten nicht unbemerkt geblieben waren. Henoch wandelte mehr als 300 Jahre lang mit Gott — viel länger als irgendjemand von uns. Ja, bis zu seinem Tod wandelte er ununterbrochen mit Gott (1. Mose 5:23, 24).
WIR sollen lieben, nicht hassen — das rät uns der Apostel Johannes mit folgenden Worten: „Denn das ist die Botschaft, die ihr von Anfang an gehört habt, daß wir einander lieben sollen, nicht wie Kain, der aus dem stammte, welcher böse ist, und seinen Bruder hinschlachtete. Und weswegen schlachtete er ihn hin? Weil seine eigenen Werke böse waren, die seines Bruders aber gerecht.“ — 1. Joh. 3:11, 12.
Warum sollen Christen einander lieben? Weil dies ein gerechtes Erfordernis ist. Der Apostel Johannes schreibt außerdem: „Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat“ — indem er „seinen Sohn als ein Sühnopfer für unsere Sünden gesandt hat“ —, „dann sind wir selbst verpflichtet, einander zu lieben.“ Christen handeln weise, wenn sie einander lieben, denn „Liebe . . . erbaut“; sie auferbaut den, der liebt, und den, der geliebt wird. — 1. Joh. 4:10, 11; 1. Kor. 8:1; Apg. 20:35.
Das Gegenteil von Liebe ist Haß, das heißt Haß gegen seinen Gefährten oder christlichen Bruder. Es stimmt, wir sollten hassen, was böse ist, ja Gottes Wort gebietet uns, das zu tun. (Ps. 97:10) Dieser Haß beruht jedoch auf Grundsätzen. Selbstsüchtiger, persönlicher Haß dagegen reißt nieder. Er wird sogar mit Mord verglichen: „Jeder, der seinen Bruder haßt, ist ein Totschläger, und ihr wißt, daß kein Totschläger ewiges Leben bleibend in sich hat.“ Kain, der erste Sohn Adams, dient uns darin als warnendes Beispiel. Haß hatte ihn veranlaßt, Gottes Zurechtweisung zu mißachten und vorsätzlich seinen Bruder Abel zu töten. — 1. Joh. 3:15.
Adam und Eva hatten sich bei der Geburt ihres ersten Sohnes bestimmt große Hoffnungen gemacht. Das scheinen Evas Worte anzudeuten: „Ich habe einen Mann erworben mit Jehova.“ (1. Mose 4:1) Es ist gut möglich, daß Kain als der Erstgeborene besonders beachtet wurde und daß ihm dies in den Kopf gestiegen war. Als Abel, sein Bruder, geboren wurde, blickte Kain zweifellos verächtlich auf ihn herab. Kain war stolz.
Das wurde offenbar, als Kain und Abel Jehova Gott Opfer darbrachten. Kain opferte Obst und Gemüse; Abel dagegen „brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Und Jehova blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht.“ (1. Mose 4:3-5) Warum? Weil Abel die richtige Herzenseinstellung hatte, weil er das richtige Opfer dargebracht und es glaubensvoll getan hatte; bei Kain war das nicht der Fall. — Hebr. 11:4; 1. Joh. 3:12.
Als Kain sah, daß Abel, den er geringschätzig betrachtete, von Jehova Gott vorgezogen wurde, konnte er es nicht mehr ertragen. Tödlicher Haß stieg in ihm auf: „Kain ergrimmte sehr, und sein Antlitz senkte sich.“ Als Gott Kains Herzenseinstellung sah, bot Gott Kain Hilfe an, indem er ihn zurechtwies: „Warum bist du denn so zornig? Warum hast du denn ein solch verfinstertes Gesicht? Ist es nicht so: Wenn du Gutes vorhast“, das heißt, wenn du glaubst und die richtigen Opfer darbringst, „kannst du doch frei aufschauen; wenn du dagegen Böses vorhast, dann lauert die Sünde vor deiner Tür, und sie wird dich überfallen. Du aber werde Herr über sie!“ — 1. Mose 4:5-7, Bruns.
Jehova Gott warnte in seiner Liebe und Langmut den stolzen, neidischen Kain wegen seiner schlechten Herzenseinstellung und sagte ihm, er könne ebenfalls Jehovas Gunst erlangen, wenn er sich demütige und Abels Beispiel nachahme. Es mußte ein Tieropfer sein, denn bei einem solchen Opfer wurde Blut vergossen, und Blut mußte vergossen werden, um Menschen mit Gott zu versöhnen. — Hebr. 9:22.
Doch Kain hörte nicht auf Jehova Gott. Stolz, Neid und Haß hatten nicht nur sein Herz gegenüber seinem Bruder verhärtet, sondern hatten ihn auch taub gemacht gegenüber der Zurechtweisung, die Jehova Gott ihm gab. „Darauf sagte Kain zu seinem Bruder Abel: ,Komm, wir wollen zusammen aufs Feld gehen.‘ Als sie draußen waren, fiel er über Abel her und erschlug ihn.“ Abel war offensichtlich so arglos, daß er den Neid und den Haß seines Bruders überhaupt nicht bemerkte, und ging
deshalb mit, ohne ein Verbrechen zu befürchten. — 1. Mose 4:8, Bruns.Kaltblütig ermordete Kain seinen Bruder. Das geschah nicht aus Leidenschaft, es war keine impulsive Handlung, sondern er tötete ihn absichtlich, mit Überlegung. Jehova Gott hatte ihn gewarnt; doch Kain mißachtete die Warnung. Er lud seinen Bruder ein, mit ihm aufs Feld zu gehen, abseits von den anderen Familiengliedern, damit er ihn umbringen konnte. Als Jehova ihn dann fragte: „Wo ist dein Bruder Abel?“, erwiderte Kain heuchlerisch und lügnerisch: „Ich weiß nicht; bin ich meines Bruders Hüter?“ (1. Mose 4:9) Wegen dieses Mordes, den Kain aus Haß verübt hatte, verlor er jede Aussicht auf ewiges Leben, wie das die Worte des Johannes anzeigen. — 1. Joh. 3:12.
Wer hatte es also nach dem Sündenfall einfach? Nur diejenigen, die sich von ihrem Schöpfer entfernt haben! Wer seinen Willen tat, lebte gefährlich! Betrug, Hass und Mord innerhalb der Familie waren von Anfang an dabei
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