Beim Lesen des ergänzendem Stoffs zu 1. Mose 15 bin ich über folgendes bei Mackintosh gestolpert:
Weil die Sohnschaft auf die Auferstehung gegründet ist, steht sie in Verbindung mit vollkommener Rechtfertigung, Gerechtigkeit und Befreiung von allem, was in irgendeiner Weise gegen uns sein könnte. Gott könnte uns den Zutritt in seine Gegenwart nicht gestatten, wenn irgendeine Sünde an uns wäre, Er kann nicht einen einzigen Flecken von Sünde an seinen Söhnen und Töchtern dulden. Der Vater des verlorenen Sohnes konnte diesem keinen Platz an seinem Tisch anweisen, so lange er noch in Lumpen des fernen Landes gekleidet war. Er konnte ihm entgegengehen, ihm um den Hals fallen und ihn in seinen Lumpen küssen, und dies war eine seiner Gnade würdige Handlung, aber es war unmöglich, den zerlumpten Sohn an seinem Tisch Platz nehmen zu lassen. Die Gnade, die den Vater dem verlorenen Sohn entgegentrieb, herrscht durch die Gerechtigkeit, die den Verlorenen in das Haus und in die Nähe des Vaters führte. Es wäre nicht Gnade gewesen, wenn der Vater auf den Sohn gewartet hätte, bis dieser sich in neue, selbst beschaffte Kleider gekleidet hätte, und ebenso wenig wäre es gerecht gewesen, ihn in seinen Lumpen ins Haus zu bringen. Jedoch Gnade und Gerechtigkeit strahlen in ihrem vollen Glanz, wenn der Vater dem verlorenen Sohn entgegenläuft und ihm um den Hals fällt, ihm aber dennoch nicht eher einen Platz an seinem Tisch gibt, bis er seiner hohen Stellung würdig gekleidet ist. Gott ist in Christus bis zu der niedrigsten Stufe des Zustandes des Menschen hinabgestiegen, um ihn durch diese Erniedrigung bis zur höchsten Stufe der Glückseligkeit in Gemeinschaft mit sich selbst zu erheben. Hieraus geht hervor, dass unsere Kindschaft mit allen damit verbundenen Vorrechten durchaus unabhängig von uns selbst ist. Wir haben ebenso wenig damit zu schaffen, wie der erstorbene Leib Abrahams und der erstorbene Mutterleib Sarahs mit einer Nachkommenschaft, die den zahllosen Sternen des Himmels und dem Sand am Meerufer gleichen sollte. Alles ist von Gott. Gott der Vater entwarf den Plan, Gott der Sohn legte die Grundlage, und Gott der Heilige Geist führt den Bau aus, und dieser Bau trägt die Inschrift: „Durch Gnade, durch Glauben, ohne Gesetzeswerke“ (Röm 3,28; Eph 2,8).
Aber unser Kapitel stellt uns noch einen anderen wichtigen Gegenstand vor Augen, nämlich das Erbrecht. Nachdem die Frage der Sohnschaft und der Gerechtigkeit göttlich geordnet war, sprach Gott zu Abraham: „Ich bin der HERR, der dich herausgeführt hat aus Ur in Chaldäa, um dir dieses Land zum Besitz zu geben“ (V. 7). Hier wird die wichtige Erbschaftsfrage behandelt und der Weg beschrieben, den die erwählten Erben zu gehen haben, bevor sie das verheißene Erbe erreichen. „Wenn aber Kinder, so auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir nämlich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden“ (Röm 8,17). Unser Weg zum Reich führt durch Leiden, Kummer und Trübsal, aber durch den Glauben können wir sagen, dass „die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll“ (Röm 8, 18). Wir wissen ferner, dass „das schnell vorübergehende Leichte unserer Trübsal uns ein über jedes Maß hinausgehendes, ewiges Gewicht von Herrlichkeit bewirkt“ (2. Kor 4,17), und endlich „rühmen wir uns auch der Trübsale, da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung“ (Röm 5,3.4).
Es ist eine hohe Ehre und ein Vorrecht für uns, wenn es uns erlaubt wird, aus dem Kelch unseres Herrn zu trinken, mit seiner Taufe getauft zu werden und in seiner Gemeinschaft den Weg zu gehen, der zu unserem Erbteil führt. Der Erbe wie die Miterben erreichen dieses Erbteil auf dem Weg des Leidens.
Erinnern wir uns jedoch, dass die Leiden, an denen die Miterben teilhaben, nichts mit Strafe zu tun haben. Es ist kein Leiden wegen der Sünde unter der Hand der göttlichen Gerechtigkeit, denn dieses Leiden hat Christus, das Schlachtopfer Gottes, am Kreuz, vollkommen erduldet, als Gottes Gerechtigkeit ihn schlug. „Denn es hat ja Christus einmal für Sünden gelitten“ (1. Pet 3,18), und dieses „einmal“ geschah am Kreuz und sonst nirgends. Nie hat Er vorher für Sünden gelitten, und nie wird Er von neuem für Sünden leiden können. „Jetzt aber ist Er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer.“ „Christus ist einmal geopfert worden“ (Heb 9,26.28).
Es gibt zwei Gesichtspunkte, unter denen wir den leidenden Christus betrachten können: Zunächst als von Gott geschlagen, und dann als von den Menschen verworfen. In dem ersten Leiden stand Er ganz allein, in dem Zweiten haben wir das Vorrecht, mit ihm vereint zu sein. In dem ersten Leiden musste Er ganz allein sein, denn wer hätte ihm zur Seite stehen können? Er trug allein den Zorn Gottes. Einsam stieg Er hinab in den „immer fließenden Bach, in dem nicht gearbeitet und nicht gesät wird“ (5. Mo 21,4), und dort ordnete Er für immer die Frage unserer Sünden. An diesen Leiden Christi hatten wir keinen Teil, obwohl wir ihnen alles verdanken. Ganz allein hat Er gekämpft und gesiegt, aber Er teilt die Beute mit uns. Er war allein „in der Grube des Verderbens, in kotigem Schlamm“ (Ps 40,3). Sobald Er aber seinen Fuß auf den ewigen „Fels“ der Auferstehung stellte, vereinigte Er uns mit sich. Er war allein, als Er am Kreuz den „lauten Schrei“ ausstieß (Mk 15,37), aber Er hat Gefährten, wenn Er das „neue Lied“ singt (Ps 40,4).
Nun ergibt sich die Frage: Wollen wir uns weigern, mit ihm zu leiden von Seiten der Menschen, nachdem Er für uns von Seiten Gottes gelitten hat? Dass es in gewissem Sinn eine Frage ist, geht daraus hervor, dass der Heilige Geist in diesem Zusammenhang beständig das Wörtchen „wenn“ gebraucht. „Wenn wir anders mitleiden“ (Röm 8,17); „wenn wir ausharren, so werden wir auch mit herrschen“ (2. Tim 2,12). Es gibt kein „wenn“ bezüglich der Kindschaft. Wir erlangen nicht durch Leiden die hohe Stellung von Söhnen, sondern durch die lebendig machende Kraft des Heiligen Geistes, gegründet auf das vollbrachte Werk Christi, gemäß dem ewigen Ratschluss Gottes. Diese Stellung ist unantastbar. Aber als solche, die der Familie Gottes angehören, die sich als Kinder bereits im Haus befinden, sind wir berufen zu leiden. Unser Weg zum Reich führt allerdings durch Leiden, und das Maß dieses Leidens entspricht unserer Hingabe für den König und unserer Gleichförmigkeit mit ihm. Je mehr wir ihm ähnlich sind, desto mehr werden wir mit ihm leiden, und je tiefer unsere Gemeinschaft mit ihm ist im Leiden, desto tiefer wird sie auch mit ihm sein in der Herrlichkeit.
Es besteht ein Unterschied zwischen dem Haus des Vaters und dem Reich des Sohnes. Das Erste spricht von Fähigkeit, das Zweite von einer angewiesenen Stellung.
Alle meine Kinder können rund um meinen Tisch sitzen, aber ihre Freude an meiner Gesellschaft und meiner Unterhaltung hängt ganz von ihrer Fähigkeit ab. Eins mag in der vollen Freude über sein Kindes-Verhältnis auf meinem Schoß sitzen, ohne aber fähig zu sein, ein einziges meiner Worte zu verstehen, während ein anderes vielleicht ungewöhnliche Intelligenz in der Unterhaltung zeigt, ohne deshalb etwa in seinem Verhältnis zu mir glücklicher zu sein als das Kind auf meinen Knien. Aber sobald es sich um den Dienst meiner Kinder für mich oder um ihre öffentliche Identifizierung mit mir handelt, liegt die Sache ganz anders.
Dieser Vergleich ist jedoch nur eine schwache Erläuterung des Gedankens von der Fähigkeit im Haus des Vaters und der angewiesenen Stellung im Reich des Sohnes.
Wir sollten jedoch stets daran denken, dass unser Leiden mit Christus nicht knechtisches Joch ist, sondern ein Vorrecht, nicht ein eisernes Gesetz, sondern eine Gabe der Gnade, nicht ein gezwungener Dienst, sondern eine freiwillige Hingabe. Denn euch ist es in Bezug auf Christum geschenkt worden, nicht allein an ihn zu glauben, „sondern auch für ihn zu leiden“ (Phil 1,29). Ferner unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass das wahre Geheimnis des Leidens für Christus darin besteht, dass die Zuneigungen unserer Herzen in ihm ihren Mittelpunkt finden.
Je mehr ich Jesus liebe, in desto engerer Gemeinschaft mit ihm werde ich meinen Weg gehen, je näher ich mit ihm verbunden bin, umso treuer werde ich ihn nachahmen, und je treuer ich ihn nachahme, so viel mehr werde ich mit ihm leiden.
So hat alles seine Ursache in der Liebe zu Christus, und es ist eine Grundwahrheit, dass wir ihn lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat. Hüten wir uns in diesem wie in jedem anderen Punkt vor einem gesetzlichen Geist, denn wir dürfen nicht meinen, dass jemand für Christus leidet, der unter dem Joch der Gesetzlichkeit steht. Es ist vielmehr zu befürchten, dass solch einer weder Christus noch die gesegnete Stellung der Kindschaft kennt, dass er nicht in der Gnade befestigt ist, sondern eher versucht, durch Gesetzeswerke in die Familie einzutreten, als auf dem Weg des Leidens das Reich zu erreichen.
Hüten wir uns aber auch andererseits, dass wir nicht vor dem Kelch und der Taufe unseres Herrn zurückweichen. Wir können uns nicht der Segnungen rühmen, die sein Kreuz uns sichert, während wir uns weigern, an der Verwerfung teilzunehmen, die dieses Kreuz in sich schließt! Wir dürfen überzeugt sein, dass auf dem Weg zum Reich nicht die Gunst und das Glück dieser Welt zu finden sind. Wenn ein Christ in der Welt vorwärts kommt, so hat er große Ursache zu fürchten, dass er seinen Weg nicht in Gemeinschaft mit Christus geht. „Wenn mir jemand dient, so folge er mir nach; und wo ich bin, da wird auch mein Diener sein!“ (Joh 12,26). Was war das Ziel der irdischen Laufbahn Christi? Strebte Er nach Einfluss und nach einer hohen Stellung in dieser Welt? Nein. Er fand seinen Platz auf dem Kreuz zwischen zwei verurteilten Verbrechern. „Aber“, wird man sagen, „Gott hatte seine Hand darin.“ Allerdings, aber auch des Menschen Hand war im Spiel. Und diese Wahrheit zieht unvermeidlich unsere Verwerfung seitens der Welt nach sich, wenn wir nur in Gemeinschaft mit Christus sind. Unsere Vereinigung mit Christus, die uns den Himmel öffnet, wirft uns aus dieser Welt hinaus, und wenn wir von dem Ersten reden, ohne von dem Zweiten etwas zu erfahren, beweist dies nur, dass bei uns etwas nicht in Ordnung ist.
Wenn Christus heute auf der Erde wäre, wie würde sein Weg sein, und wo würde er enden? Würden wir gerne mit ihm gehen?
Gott schenke uns Gnade, diese Fragen im Licht seines Wortes zu beantworten, das schärfer ist als jedes zweischneidige Schwert, und möge der Heilige Geist uns treu machen für unseren gekreuzigten und verworfenen Herrn! Wer im Geist lebt, wird von Christus erfüllt sein und sich nicht mit den Leiden, sondern mit dem beschäftigen, für den er leidet. Wenn das Auge auf Christus ruht, wird das Leiden unbedeutend erscheinen im Vergleich mit der gegenwärtigen Freude und der zukünftigen Herrlichkeit.
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